Frau* schafft Wissen - eine Kampagne der Universität Freiburg
Von Frauen* in der Forschung und Stay-at-home dads
https://uni-freiburg.de/fsw/kathrin-blumenstein-2/
„Es geht nicht nur darum, dass man seine Forschungsarbeit am Ende erledigt hat, sondern dass man mit Freude und Passion an das Fachgebiet geht.“ Und das tut Kathrin Blumenstein: Wenn sie über ihre Arbeit redet – oder eben, ihre Passion – strahlen ihre freundlichen braunen Augen begeistert. Und ihre Faszination steckt an: Gebannt tauche ich mit ihr ein in eine Welt der Bäume, der Pilze, der Mikroorganismen. Blumenstein ist Junior Professorin für Pathologie der Bäume – die einzige in Deutschland. Nur hier in Freiburg gibt es eine derartige Professur. Gemeinsam mit ihrem Team erforscht sie am Institut für Forstwissenschaften der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen Baumkrankheiten, die über Mikroorganismen verursacht werden, vor allem über pilzliche Schaderreger. In ihrem aufgeräumten Büro dient eine aufgeschnittene Baumscheibe als Besprechungstisch – den Jahresringen nach zu urteilen, muss der Baum weit über hundert Jahre alt gewesen sein. Hier erklärt Blumenstein, wie pilzliche Organismen in Bäumen wachsen und miteinander interagieren: Sie können sich entweder positiv auf ihre Wirte auswirken und deren Vitalität stärken, oder als Krankheitserreger einen Baum infizieren. Klimawandel, Trockenheit, Überflutungen, mangelhafte Bodenbedingungen nutzen den pathogenen Pilzen. „Das ist wie bei uns Menschen, alles, was den Baum stresst, schwächt sein Immunsystem.“ Die Pathologie der Bäume untersucht, wie die Schaderreger wirken und wie sie sich ausbreiten, um zu verstehen, wie die Resilienz, die Abwehrmechanismen der Bäume, in Zukunft gestärkt werden kann. „Einen kranken Baum kann man nicht wieder heilen“, so Blumenstein. Deshalb sei es wichtig, präventive Maßnahmen zu entwickeln und diese praktisch umzusetzen. |
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Die junge Professorin arbeitet keine vierzig Stunden die Woche – sondern eher sechzig: „Man investiert nicht nur extrem viel Zeit in so eine Stelle, sondern auch sehr viel persönlicher Motivation, Emotion. Das ist nicht nur ein Job, meine Arbeit ist immer präsent.“ Wo nimmt sie ihre Energie, ihre Motivation, ihre Kraft dafür her? „Was mich von Anfang an so fasziniert hat, ist die Sinnigkeit – durch meine Forschung kann ich konkret etwas für die Gesundheit der Wälder beitragen.“ Soweit zur fachlichen Ebene. Aber reicht das, um sich mit einer solchen Leidenschaft rund um die Uhr der Arbeit zu widmen? „Ich liebe es, dass jeder Tag komplett anders ist als der Vorherige.“ Kathrin Blumenstein mag die Komplexität ihrer Aufgaben, steht gerne vor Herausforderungen. Vor allem aber schätzt sie die Gestaltungsmöglichkeiten, die ihre Position mit sich bringt. Im Wintersemester 2023/24 startet eine neue Profillinie für den Forstwissenschafts-Master, die sie mit Kollegen entworfen hat: Forest Ecology Research. Zusammen haben sie das Programm so konzipiert, wie sie sich das zu ihren Studienzeiten gewünscht haben. „Dieser Beruf gibt einem durch so viele unterschiedliche Arten und Weisen positives Feedback: man veröffentlicht einen Fachartikel, wird zu einem Vortrag eingeladen oder sitzt in einem Hörsaal vor strahlenden Gesichtern. Das alles ist so motivierend, dass ich jeden Tag aufs Neue Lust auf meinen Job habe.“ Und dann hat sie dieses Jahr auch noch den deutschen Forstwissenschaftspreis gewonnen. „Das war natürlich auch mega motivierend!“, schwärmt sie. Doch Kathrin Blumenstein ist nicht nur Professorin, sondern gleichzeitig auch Mutter dreier Kinder und Ehefrau. Wie sie das alles unter einen Hut bringt, Beruf und Familie? „Ich hatte nie vor zu promovieren. Wie ich die Doktorandinnen an deutschen Universitäten wahrgenommen habe, das war für mich kein attraktiver Weg.“, erzählt sie nachdenklich. Doch als sie noch vor Ende ihres Studiums für ein Praktikum an einem forstwissenschaftlichen Forschungsinstitut nach Schweden gegangen ist, hat sie gesehen, wie viel Freude die Doktorand:innen und PostDocs an ihrer Arbeit haben. Dass sie ein Privatleben haben. Dass sie Familien haben. „Da waren schwangere Doktorandinnen – das fand ich wunderbar!“, strahlt sie. In Schweden hat Blumenstein gesehen, dass man sich nicht entscheiden muss, zwischen Beruf und Familie, zwischen Forschung und Kindern. Sie fand es inspirierend, wie flexibel der Arbeitsalltag gestaltet werden konnte, wie Männer um drei Uhr nachmittags nach Hause gehen um die Kinder vom Kindergarten abzuholen, wie sie ganz selbstverständlich Vaterschaftsurlaub nehmen. |
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Zurück in Deutschland – Blumenstein promovierte in Schweden – lebt sie dieses flexible Familienmodell vor: „Bei meinem Mann und mir war es von Anfang an klar, wenn wir Kinder bekommen, dann sind das unsere Kinder. Dass Care Arbeit eine Gemeinschaftssache ist und nicht nur in den Händen der Frau* liegt.“ Zurzeit kümmert sich ihr Mann als „Stay-at-Home Dad“ um die Kinder. Ihr Umfeld hat diese Entscheidung durchwegs positiv aufgenommen. „Ich habe schon auch mit Kritik gerechnet. Aber ich habe ausschließlich unterstützende Stimmen bekommen,“ betont Blumenstein. Es freut sie, mittlerweile mehrere Kolleginnen zu kennen, die ein ähnliches Familienmodell leben. Gleichzeitig weiß sie, dass das nicht für alle Menschen der richtige Weg ist: „Es gibt so viele verschiedene Lebens- und Familienmodelle. Und alle sind gut, so lange jeder die Wahl hat.“ Kathrin Blumenstein selbst hat in ihrer Karriere keine geschlechtsspezifische Diskriminierung erfahren. Trotzdem, die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen* ist noch nicht erreicht. Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Ich glaube wichtig ist, dass es Rollenbilder gibt, die vorleben, dass alles möglich ist, was wir wollen. Und damit meine ich nicht wir Frauen*, sondern wir als zukünftige Generation.“ Um einen erfolgreichen Weg in eine gleichberechtigte Zukunft zu gehen, braucht es nicht nur Frauen*, die dafür einstehen, sondern alle Geschlechter. „Denn letztendlich profitieren wir alle von mehr Diversität im Arbeits- und Privatleben.“
Alle Fotos by Gabor Richter |